Wie ich zur Traurednerin wurde.

Glückliche Traurednerin
Foto: Abram Evnin

 

„Könntest du dir vorstellen unsere freie Trauung zu machen?“

 

„Ähm…also…joa…vielleicht…weiß nicht…muss ich mal drüber schlafen.“

 

 

 

So begann meine Reise, als meine Kollegin mir 2018 von
ihrer Suche nach einer freien Traurednerin erzählte.
Und ihr habt es vielleicht auch schon gemerkt, die Suche nach der richtigen Traurednerin kann eine wahre Herausforderung sein.

 

Für mich war die Frage meiner Kollegin der Beginn einer großartigen Herausforderung, die ihr großes Finale vor 100 Zuschauern und einem glücklichen Brautpaar hatte.

 

Zwei Tage grübelte ich damals über ihre Frage nach.
"Traue ich es mir zu? Kann ich das?"
Ich habe schon oft vor Menschen gesprochen, aber eine Hochzeit ist etwas anderes.
Da gibt es viele Erwartungen, man trägt Verantwortung dafür, dass der Tag kein Flopp wird. Was, wenn ich es vergeige? Wiederholen ist schlecht und eine enttäuschte Braut ist noch schlechter.

 

Eine Traurede. Wie geht das überhaupt? Und was genau ist denn eine freie Trauung?
Ich erzählte meiner Freundin davon und sie war sofort überzeugt: Du kannst das!

Wisst ihr, zudem liebe ich Pipi Langstrumpf. Das Allerschlauste was sie jemals gesagt hat, ist:
„Ich habe das noch nie versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“ Also tat ich es ihr gleich und sagte zu.

 

Die nächsten Wochen verbrachte ich wunderschöne Stunden vor dem PC.  Ich hatte ein wenig recherchiert was eine gute Traurede ausmacht, aber nicht zu viel. Ich wollte meinen eigenen Text schreiben und mich nicht zu viel beeinflussen lassen. Die Geschichte der beiden zu schreiben versetzte mich in einen Zustand totaler Glückseligkeit. Ich war in einem unbeschreiblich schönen Flow. Denn, man kann nicht über die Liebe schreiben, ohne sie zu fühlen. 

Immer wenn ich dachte: Schöner und erfüllender geht es nicht, wurde ich eines Besseren belehrt.

Ich hatte der damals 82-jährigen Mutter des Bräutigams einen kleinen Brief geschrieben. Über meine Lieblingskollegin wusste ich vieles, aber über ihren Bräutigam noch nicht so viel. Also nicht verzagen, die liebe Mutti fragen. Ich bat sie, mir über ihren Sohn zu schreiben. Und das tat sie mit einem handgeschriebenen Brief, voller Erinnerungen und Liebe.

 

Des Weiteren hatte ich einen Fragebogen entworfen, den die beiden jeweils allein beantworten sollten. Ich hatte also sozusagen drei großartige Liebesbriefe vor mir liegen. Tatsächlich war ich sehr gerührt und musste erstmal ein paar Tränchen fließen lassen. Diese Texte in meine Rede einzuarbeiten gab mir einen weiteren Glücks Booster.

Die Anzahl der Gäste wuchs stetig, erst waren es 40, dann 60, dann 80 und schließlich 100. Ich bekam von der Braut mein Outfit für die deutsch-buddhistische Hochzeit geschenkt, ein wunderschönes traditionelles vietnamesisches Kleid.

Meine Aufregung stieg.

 

Auf dem Weg zur Trauung wechselte meine Stimmung von: „Ich will endlich meinen schönen Text los werden," zu
„Was habe ich mir da bloß angetan?“ im Minuten Takt. Dann endlich stand ich vorne, das Mikro in der Hand, die Geigerinnen legten los und das Brautpaar betrat den Raum. BÄM. 


All meine Zweifel waren weg. Ich hatte nur noch Vorfreude und Adrenalin in mir.
Es mag kitschig klingen:  aber während der Zeremonie fühlte ich pure Liebe. Ich hatte das Gefühl von innen heraus zu strahlen.

 

Es wurde gelacht. Geweint. Erinnert. Gefühlt. Geschmunzelt. Geliebt. Geküsst.

 

Dieses Glücksgefühl hielt sich bei mir über mehrere Tage. Und alles was ich die ganze Zeit dachte war:
"Das will ich immer wieder machen".

Das ist mein Traumjob.

 

Und hier bin ich.

 

Auf der Reise durch eure Liebesgeschichte bei eurer freien Trauung
Foto: Abram Evnin
Bei eurer Trauzeremonie habe ich stets eine helfende Hand
Foto: Phil Stev

 Vielleicht bald auch eure Traurednerin.